Bild1: Judith Walgenbach,“Jugend forscht“, Mudam-Collection für eine Bildansicht, den Link anklicken.
Roland Oesker: Kunstwerke betrachten und Kunstproduktion als Mittel in der Interdisziplinären System-Bildung
Hier geht es um eine Entwicklung in der Kunst, die zeitgleich mit der Forschungsarbeit zum Thema “Interdisziplinäre System-Bildung“ ihre Anfänge erlebt hat und zu einem begleitenden Zeitgeist der Entwicklungen des innovativen Bildungsansatzes geworden ist. Heute spricht man ganz selbstverständlich von: “artistic research“ als ein “seit dem 2000er Jahren verbreitetes interdisziplinäres Feld zwischen Kunst und Wissenschaft, das seit den 2010er Jahren verstärkt an internationalen Kunsthochschulen institutionalisiert wird….“ (Wikipedia, künstlerische Forschung).
Man kann eine gemeinsame Basis für die vielfältigen Ausffassung erkennen, die für “artistic resaerch“ geprägt werden:
Künstlerische Tätigkeit wendet sich bewusst einer Form zu, die im Prozess der Entstehung und in den Möglichkeiten der Kunstbetrachtung, generative heuristische Mittel im Sinn der interdisziplinären System-Bildung bereitstellen .
Für die erfolgreiche Entfaltung dieser Möglichkeiten, kann die Arbeitsweise in der Interdisziplinäre System-Bildung einen geeigneten Rahmen bilden. Dann sind künstlerische Gestaltung und Betrachtung bewusst und ausdrücklich eingebunden in eine besondere Form des “Findens“ Picasso legte die Betonung dabei besonders auf das “Ich“ und sein Satz zielt auf das Besondere des künstlerische Hervorbringens : “Ich suche nicht, ich finde!“
Nun ein Blick auf das Bildbeispiel am Beginn des Textes: Kinder und ein junger Mann in einer Szene, die man als Gruppe junger Forscher bezeichnen könnte. Der Mann schaut in ein Mikroskop. Die Kinder schauen auf Diapositive, die sie gegen des Licht halten um etwas zu erkennen. Die Umgebung der Szene ist wohl das Interieur eines Forschungslabors. Die Scene hat etwas unwirkliches, fast unglaubwürdiges, mit einer Anmutung einer Fotografie aus Anfängen der 1960iger Jahren. Es fällt auf, dass kein Mädchen und keine Frau zu der Gruppe gehören. in Bezug auf den Titel „Jugend forscht“ empfindet der Betrachter eine Provokation und die damit verbundenen Fragen sind fast ein Protest: Was soll denn so erforscht werden? ist das die Idee des forschenden Lernens? Was kann Jugend so erforschen? und gipfelt in der Fesstellung so war es früher und heute ist es nicht so! Es provoziert die Grundfrage “Wie entsteht Wissen“ es entsteht ein Interesse an der Erzeugung von Wissen und das Bild ist damit ein Generator für das Wissen über Wissen und die Erforschung der Rolle der Konstrukteure des Wissens. Einige Werke der Künstlerin sind so bewusst angelegt, als “artistic research“ haben sie diese Intention, gehen diesen Fragen nach und generieren neue Fragen, kommen so zum Hervorbringen des Wissens über das Werden und Sein der Wissenschaft.
Kunst anschauen und Kunstwerke gestalten sind beides spezifische Arten des Suchens und Hervorbringens. Das wusste man schon in der Antike: “Die Klugheit unterscheidet sich aber vom Verstand dadurch, dass sie sucht und überlegt, da ja das Überlegen ein Suchen ist“ (Nikomachische Ethik, S. 165, Anaconda, Köln 2009)
Wir bemesssen dem Kunst-Machen eine Bedeutung zu, die sich von alltäglichen Handlungen unterscheidet. Das hat ursprüngliche Wurzeln, schon in der antiken Auffassung: “Auf das was aus Notwendigkeit ist oder wird, geht die Kunst so wenig, wie auf das , was von Natur aus da ist oder entsteht, da derartiges das bewegende Prinzip in sich selber hat. Da nun das Hervorbringen vom Handeln verschieden ist, so muss die Kunst auf das Hervorbringen, nicht auf das Handeln gehen“. (Nikomachische Ethik, S. 157) Zu beachten ist, dass in dieser Zeit mit Kunst nicht die materielle Erweiterung der materiellen Welt gemeint ist, wohl aber Hervorbringungen nicht nicht materiell sind doch das Vorhandene erheblich verändern. Kunst sind kognitive Leistungen, die nicht Materiell sind aber das Denken über die Natur und das Verhältnis zum Leben in ihr fortschrittlich bereichern können: Die 7 freien Künste der Antike. Grammatik, Rhetorik, Logik, Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik.
Kunstwerke zeichnet besonders aus, dass ihre Wirkungsgeschichte nicht an der Intention des Künstlers explizit gebunden sein kann. So kann das Hervorbringen über die Absichten und Intentionen der Gestalterin, des Gestalters weit hinausgehen. Denn die Wirkung des Werkes erfüllt sich mit einer besonderen Tätigkeit in der Kunstbetrachtung. Darin erweitert sich das Hervorbringen in ein individuelles wahrnehmbar werden, ganz im Sinne des Wortes ästhetisch werden.
So unterscheidet sich das Kunstwerk vom Gebrauchsgegenstand, wie z.B. Designobjekt, Gebäude, Fahrzeug, Werkzeug usw. und gleichgültig wie viel Kunstabsicht in diesen Werken steckt, bleibt ein Gebrauchswert vordergründig erhalten. Bildnerische Kunstwerke hingegen haben im Vordergrund das “Hervorbringen“ einer “Suche“, die ein “Überlegen“ ist, somit der “Klugheit“ dient, wenn die “Suche“ im Selbst dabei Sein (inter esse) zum Selbst-Finden führt. Eine ästhetische Integration des Ich-Selbst mit dem was Betrachtet wird.